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RSSPrint

Aufruf der Evangelischen Kirchenkreise Teltow-Zehlendorf und Steglitz in Berlin

9. November 1938

In den Novemberpogromen gegen jüdische Mitbürger und Einrichtungen trat die Gewalt der Nationalsozialisten offen zutage. Die vorausgegangene schrittweise Entrechtung, Drangsalierung und Ausgrenzung von Deutschen, die jüdisch waren oder als Juden galten, die anders oder frei dachten, schlug im November 1938 in eine staatlich gelenkte, öffentliche Verfolgung um. Die Nationalsozialisten ermordeten allein in diesen Tagen ca. 400 Menschen oder trieben sie in den Selbstmord. Sie zerstörten tausende Synagogen, Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe. Sie inhaftierten 30.000 Juden in Konzentrationslagern. Und doch waren die Novemberpogrome erst der Auftakt zu einem systematisch betriebenen Staatsterror bis 1945.

Wie konnte das damals passieren?

Weil sich Täter dazu hergaben und weil eine große Mehrheit, auch unter den Christen, das Unrecht schweigend hinnahm. Zu wenige haben wie Pfarrer Helmut Gollwitzer das offene Wort riskiert: „Wir sind mitverhaftet in die große Schuld, dass wir schamrot werden müssen, wie biedere Menschen sich auf einmal in grausame Bestien verwandeln. Wir sind alle daran beteiligt, der eine durch Feigheit, der andere durch Bequemlichkeit, die allem aus dem Wege geht, durch das Vorübergehen, das Schweigen, das Augen zumachen, durch die Trägheit des Herzens, durch die verfluchte Vorsicht." (aus: Predigt am Buß- und Bettag am 16. November 1938 in Dahlem)

9. November 2018

Deutschland ist ein demokratisches Land geworden. Es ist Teil eines in Frieden geeinten Europas.

Gerade in unseren Tagen wird es deutlich.

Selbstverständlich ist das keineswegs.

Deshalb schweigen wir heute nicht. Enthaltung ist keine Haltung. 80 Jahre nach den Novemberpogromen verurteilen wir öffentlich
  • das Schüren und das Ausnutzen von Angst in einer sich schnell verändernden Welt. Bei Veränderungen ist Ausgrenzung von Menschen das Problem, nicht die Lösung.
  • die hemmungslose Hetze im Schutz des anonymen Netzes. Sie ist feige.
  • das kalkulierte Verschieben der verbalen Schamgrenze in politischen Beiträgen. Wer das tut, bereitet den Boden für Gewalt. Eine Partei, die solche Redner gewähren lässt, kann keine Alternative sein.

 

Wir treten öffentlich dafür ein

  • einen zivilen Umgang inWort und Tat zu verteidigen.
  • Menschen nach ihrer Haltung, nicht nach ihrer Herkunft zu beurteilen.
  • zusammenzuhalten in einer großen Koalition der Vernünftigen unter Deutschen und Migranten gegen eine kleine Minderheit von Radikalen auf beiden Seiten.

 

Wir stehen zu einem Deutschland, das

  • bereit bleibt, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen.
  • Europas Einigung bejaht und sich weltoffen zeigt
  • und darin selbstbewusst ist.

 

Johannes Krug
Superintendent Ev. Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf

Thomas Seibt
Superintendent Ev. Kirchenkreis Steglitz